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Rabatt für die Lust

Veröffentlicht in Politik

Steuerpläne der Koalition könnten Stundenhotels begünstigen!

Kaum ein Vorhaben hat der noch jungen Bundesregierung mehr Hohn und Kritik eingebracht als der Plan, die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen in Hotels und Gaststätten zu senken. "Völliger Irrsinn", nennt etwa der Hannoveraner Finanzprofessor Stefan Homburg die Regelung, die Anfang 2010 in Kraft treten soll, wodurch die Steuereinnahmen dauerhaft um etwa eine Milliarde Euro im Jahr sinken werden.

Niemals, so urteilte der Experte in einer Anhörung des Finanzausschusses, werde diese Summe reichen. Denn die Übernachtung sei nur schwer von anderen Dienstleistungen abzugrenzen, die sonst noch im Zusammenhang mit Übernachtungen in Hotels angeboten würden und höher besteuert werden müssten - etwa das Frühstück oder die in einem Pauschalpreis inbegriffene Nutzung des Wellness-Bereichs.

Eine ganz besonders heikle Abgrenzung hat nun insbesondere die Finanzexperten von CDU und CSU in Alarm versetzt. Es geht um Stundenhotels und damit um eine Dienstleistung, die ein ehrbarer Christenmensch lieber nicht von der Steuer begünstigt sehen möchte. Wie schnell käme der böse Verdacht auf, ausgerechnet die konservativ dominierte Koalition mache sich der Förderung von Prostitution schuldig.

Ursprünglich sollte die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent nur für Lebensmittel, Bücher, Zeitungen und dergleichen gelten, also für Waren des täglichen Bedarfs und für Kulturgüter. Es ließe sich nun trefflich streiten, ob das Bett für den Akt darunterfällt. Steuerrechtlich gesehen aber ist das wohl eher nicht der Fall.

Aus dem Blickwinkel eines Finanzbeamten betrachtet, stellt sich das Problem nämlich gar nicht, wie eine Prüfung ergab. Denn im Dickicht des deutschen Mehrwertsteuerrechts gilt als Grundsatz, dass der Steuersatz der Hauptleistung den Steuersatz der Nebenleistung bestimmt. Wenn man also annimmt, dass der Akt die Hauptleistung und das Bett die Nebenleistung sei, wäre für beides der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Die Frage ist nur: Lässt sich diese Theorie auch in der Praxis von Bordellen anwenden?

Angesichts solcher Probleme kann sich die schwarz-gelbe Regierung des Spotts der Opposition sicher sein. Die finanzpolitische Sprecherin der SPD, Nicolette Kressl, höhnt: "Das hat die Koalition von ihren unsinnigen Plänen - sie muss sich mit Abgrenzungsfragen der lächerlichsten Art rumschlagen." Das findet auch die Grünen-Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae. Sie wirft die Frage auf, ob der Gast solcher Etablissements lediglich die reduzierte Mehrwertsteuer zahlen müsse, wenn er nach dem Geschlechtsverkehr für längere Zeit einschlafe und somit gleichsam übernachte. "Eigentlich", so lästert die Abgeordnete genüsslich, "müsste man jedes Stundenhotel genau von Finanzbeamten kontrollieren lassen."

Trotz dieser pikanten Problematik einigten sich die Spitzen der Koalition am Dienstag darauf, weiter an der Senkung der Mehrwertsteuer festhalten zu wollen. Um aber ganz sicherzugehen, dass nur Übernachtungen steuerlich begünstigt werden und nicht etwa auch die Betreiber der Stundenhotels, soll es nun eine präzise Ausführungsbestimmung geben, die alle Grenzfälle regelt - und Zusatzleistungen ausschließt.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten FDP und Union übrigens vereinbart, die vielen Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer zu reduzieren. Sie wollen dafür eine Kommission einsetzen. Guido Bohsem

[Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.278, Mittwoch, den 02. Dezember 2009 , Seite 1]
 

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