SPD Ammerbuch

 

Kommunales Leben

Veröffentlicht in Kommunalpolitik

von Volkmar Wissner

Mit der Idee, örtliche Schulturnhallen zu schließen hatte der Bürgermeister Leute aufgeweckt. In der Tat sind Schließungen von Turnhallen, Schulen oder Rathäusern ideale Maßnahmen kommunales Leben zu zerstören, sofern diese Gebäude nicht durch kommunalen Willen neu mit Leben gefüllt werden. Gebäude an sich sind aber nur Gefäße wie Parkhäuser oder Kirchen. Der Satz „Ammerbuch stärken – die Ortsteile verbinden – wir brauchen eine zentralörtliche Halle" ist an sich politischer Kitsch, denn gemeinschaftliches Leben entwickelt sich vor der Haustür, im Dorf, d.h. in den dortigen Vereinen, Kirchen sowie Schule/Kindergarten. Die Genannten sitzen aber schon jetzt im gleichen Boot, denn sie werden von Nachwuchsmangel geplagt. Ausnahmen wie die Jugendfeuerwehr Breitenholz oder die Pfadfinder in Entringen bestätigen die Regel. Wenn ich kommunales Leben will, muss ich all das stärken wie auch das Scharnier zur Verwaltung, den Ortschaftsrat plus Ortsvorsteher. Wie weit wir von Gemeinschaftlichem schon weg sind, sieht man daran, dass der Begriff „Solidarität" zu einem historischen Begriff geworden ist, im Alltag nicht mehr präsent, in Parteiprogrammen eine Restvokabel.

Nun waren Vereine vor 150 Jahren Träger des gesellschaftlichen Fortschritts. Dass viele sehr lebendig sind, sagt einiges über die Flexibilität dieser bürgerlichen Organisationsform aus, dass aber just die Vereine der ersten Stunde, die Liederkränze und Cäcilienvereine, sich der Reihe nach auflösen, sagt auch einiges. Eine neue Struktur, ein neues Organisationsmodell ist angesagt und bei Gerald Hüther, neben Manfred Spitzer einem der wenigen, die vom naturwissenschaftlich-medizinischen Forschungsstand ausgehend gesellschaftliche Neuerungen, vor allem bildungspolitische, einfordern, fand ich da etwas. Aus dem frisch erschienenen Bändchen „Kommunale Intelligenz" das m. E. ein bisschen zu theoretisch-appellativ ausfällt, hab ich anbei zwei Seiten kopiert. Eine schulische und kommunale Auseinandersetzung mit diesen -elf Fragen können m. E. weiterhelfen, wobei klar ist, dass Schüler aus Mittel- und Oberstufe bei weitem mehr davon umsetzen könne als Grundschüler. Umso haarsträubender fällt dabei das gescheiterte Vorhaben des Bürgermeisters aus, Ammerbuch nur für Null bis Zehn jährige zuständig zu erklären. Je weniger Kinder ihre sozialen Grunderfahrungen in der Familie machen können, umso mehr rücken Kindergarten und Schule in den Vordergrund, aber die können von ihrer personellen Ausstattung nie und nimmer diesem Riesenauftrag nachkommen, verschleißen dabei höchstens das gegebene Personal. Wenn schon Staat und Land die personelle Ausstattung zur gesellschaftlichen Erziehung finanziell nicht stemmen können, was ist denn dann? 

Den Sinn für Gemeinschaftliches zu entwickeln mit dem Fernziel, eine Kommune mit Leben zu füllen, geht m. E. nicht ohne Schule/Kindergarten. Nur hier erreiche ich Migrantenkinder und Kinder von “Zwischenbürgern“, die nur ein paar Jahre irgendwo wohnen und künftig auch auf dem Land immer häufiger vorkommen werden. Aber wie, wenn das Kollegium schon ausgelastet ist? Scharniere müssten die Elternvertretungen sein und vor allem die Fördervereine, denn sie dürfen vergleichbar den Drittmitteln an der Uni die vollen Kasse unzähliger Stiftungen anzapfen und je mehr ein Schulförderverein hier zur Sache geht, umso eher kann die betreffende Schule Forderungen an die Gemeinde stellen: “Schaut, wir übernehmen für Euch ureigenste Aufgaben, dafür hätten wir gerne eine neue Ausstattung für Physik etc.". Los Ammerles ist ein fantastisches Gemeinschaftsprojekt, aber ein organisatorischer Kraftakt, der nur gelingt durch den Leidensdruck der vielen Mamas, deren Kinder zu Ferienbeginn zu Hause vor Langeweile zwölf Stunden nerven. Schulen dagegen sind immer da und brauchen sich als Forum, als Kommunikationszentrum nur zur Verfügung zu stellen. Ob dann eine Schule speziell über den Förderverein einen Impuls setzt und damit eine Verwaltung unter Zugzwang setzt oder von vornherein kommunikativ offen mit der Verwaltung als Partner operiert wird, liegt an der Verwaltung.

Ich fände es vollkommen daneben, die tradierten bürgerlichen Formen des Vereinswesens etc. gegen den neuen Weg über die Schulkommunikation auszuspielen – im Gegenteil: solange es die Vereine, Ortschaftsräte und Kirchen (die Breitenholzer Pfarrstelle wird z. B. nur noch einige Jahre besetzt sein), sollte man diese Strukturen nutzen um vor der Haustür, im Dorf anzufangen, denn dort entwickelt sich differenziertes soziales Leben, nicht bei Grönemeyer im Stadion oder Rock of Ages in Seebronn. Dort funktioniert eine Großveranstaltung, aber es entsteht nichts Neues und vor allem nichts Eigenes. Wenn sich in den Dörfern nichts abspielt, wo dann soll sich in Ammerbuch etwas abspielen? Das aber zu lenken, zu organisieren, hat sich die Verwaltung unter von Ow abgewöhnt, es zumindest zu kommunizieren, zu delegieren und teilweise anzuregen, kann eher den örtlichen Schulen gelingen. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Herr Langermann diese Ideen, dass Schulen sich in die Kommune hinein bewegen sollen, teilen würde, auch wenn es bei der Umsetzung krachen würde – des Tonfalls wegen.

Ein zweites Motiv Schule/Kindergarten mit dieser Aufgabe zu konfrontieren ist eine Sache, die uns zunehmend betrifft und schon jetzt sehr vielfältig wirkt. Hier verschiedene Beispiele des gleichen Sachverhalts: die Omnipräsent digitalen Touch-Krams deckt Langeweile zu und lässt soziale Sensibilität verkümmern. Nicht die Tatsache als DDR-Bürger zweihundertprozentig überwacht worden zu sein, schockte die Ossis 89, sondern die Tatsache, dass es der Nachbar war, der Freund aus Jugendzeiten, der Mitarbeiter, traf in Herz und Mark. Die Zukunft gehört der technologisch überlegeneren Methode der freien Welt (NSA), aber sie werden als totalitärer Schock überhaupt nicht erlebt. Welchen Jugendlichen juckt es, dass seine Handys blankpoliert gläsern sind? Kein Betrieb mag Personalkosten. Deshalb ist der Altenheim-Robi nur noch eine Frage der Zeit. Japan arbeitet schon seit Jahrzehnten darauf hin und dann braucht sich die Oma nicht mehr ärgern, dass der dumme Pfleger mal wieder vergessen hat die Blumen zu gießen. Fazit: Gefühle sind nicht mehr nötig, nicht mehr gefragt, nicht mehr gewünscht. Was soll ein Oberstufenschüler in der Klausur über „Kabale und Liebe" zu Eifersucht und Enttäuschung schreiben, wenn er nicht weiß, was das ist, weil es per facebook technisch abgefedert wird. Die Entemotionalisierung läuft und es ist nachvollziehbar, dass diese Entwicklung den Verursacher: den Markt, den Kapitalismus nullkommanull interessiert. Die Frage ist: Wie soll eine Gegenstrategie aussehen? Schon wieder fällt mir nichts Besseres ein als Schule/Kindergarten. Als zentrale Anlaufstelle, als Forum, Drehscheibe, denn eine kommunale Verwaltung ist Verwaltung,sonst nichts und ein Gemeinderat ist eine Summe von Einzelpersonen. So viel zum institutionellen Reichtum einer Kommune. Eine CDU weiß mit diesem Themenkomplex eh nicht umzugehen, redet halt von Familie und das war‘s. Aber in Ammerbuch sind wir mit Schulsozialarbeitern in Altingen und Entringen sowie einem Jugendgemeinderat und einem Jugendreferenten gut genug aufgestellt um diesen Themenkomplex zwischen Kommune und Schulen wenigstens zu kommunizieren. Wir sollten es nutzen und von unserer Seite aus forcieren.

 

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